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Immer mit der Ruhe

Text/Thema: (Mk 1,32-37; 1.Mo 1,31-2,3, 2.Mo 20,8-11; 5.Mo 5,12-15

Gehalten (Datum/Ort): 30.01.22 S-FK; 06.02.22 S-HK Markus Bauder

Bibeltexte über die Bedeutung der Ruhe und des Ruhetages im Volk Israel und eine Geschichte von Jesus zu diesem Thema. Ganz am Anfang der Bibel heißt es (1. Mose 31-2,3):

Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend und wieder Morgen – der sechste Tag.

(…) Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk, das er gemacht hatte. An diesem Tag ruhte er aus von all seiner Arbeit, die er getan hatte. Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn zu einem heiligen Tag. Denn an diesem Tag ruhte Gott aus von all seinen Werken, die er geschaffen und gemacht hatte.

Zur Vollendung, zur Perfektion, zum „sehr gut“ gehört die Ruhe. Die Ruhe, der Heilige Tag muss sein.

Das führt im Volk Israel zu einem Alleinstellungsmerkmal – würde man heute sagen – dem Sabbatgebot. Das steht zweimal im Alten Testament. Mit zwei unterschiedlichen Begründungen.

Im 2. und 5. Buch Mose heißt es:

Du sollst den Sabbat einhalten! Er soll ein heiliger Tag sein! So hat es der Herr, dein Gott, dir befohlen. Sechs Tage in der Woche darfst du arbeiten und alle deine Tätigkeiten verrichten. Aber der siebte Tag ist ein Ruhetag. Er gehört dem Herrn, deinem Gott. An diesem Tag darfst du keine Arbeit tun: weder du selbst noch dein Sohn oder deine Tochter, dein Sklave oder deine Sklavin, dein Rind oder dein Esel, auch nicht dein Vieh oder der Fremde in deiner Stadt. Dein Sklave und deine Sklavin sollen genauso wie du ausruhen können.

Und dann heißt es zum einen:

Denn in sechs Tagen hat der Herr den Himmel, die Erde und das Meer gemacht – mit allem, was dort lebt. Aber am siebten Tag ruhte er. Deswegen hat der Herr den Ruhetag gesegnet und ihn zu einem heiligen Tag gemacht.

Im 5. Buch Mose wird der Sabbat anders begründet. Da heißt es:

15 Denk daran: Auch du warst einmal ein Sklave im Land Ägypten. Aber der Herr, dein Gott, hat dich von dort herausgeführt – mit starker Hand und machtvoll ausgestrecktem Arm. Deshalb hat der Herr, dein Gott, dir befohlen, den Sabbat als Ruhetag zu gestalten.

Der Ruhetag ist wichtig, weil wir Geschöpfe sind. Er gehört gewissermaßen zur Natur der Schöpfung. Und er ist wichtig, weil wir befreit sind. Keine Sklaven. Weder von Personen, noch von Firmen oder Strukturen oder von wie auch immer gearteten Ansprüchen.

Der Ruhetag ist ein Zeichen von Freiheit und Geschöpflichkeit.

Wir habe noch im Ohr, was die Bibel zur Ruhe, bzw. zum Ruhetag sagt. Jetzt eine kurze Geschichte aus dem Leben Jesu. Im Markusevangelium heißt es noch im ersten Kapitel, also ganz am Anfang:

Inzwischen war es Abend geworden, und die Sonne war untergegangen. Da brachten die Leute alle Kranken zu Jesus und alle, die von Dämonen besessen waren. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt. Die Menschen litten an unterschiedlichsten Krankheiten. Jesus heilte viele Kranke und vertrieb viele Dämonen. (…)

Am Morgen, als es noch dunkel war, verließ Jesus die Stadt. Er ging an einen einsamen Ort und betete dort. Simon und die anderen suchten nach ihm. Als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: »Alle suchen dich.«

Es geht um Leben und Tod. Es geht um Menschen. Es geht um große Nöte und großes Elend.

Jesus war nicht nur den ganzen Tag damit beschäftigt, sondern auch die halbe Nacht. Dutzende stehen noch vor der Tür…

Es gibt genügend Gründe, pausenlos zu arbeiten.

Es gibt genügend Gründe, in der gesetzten Arbeitszeit möglichst schnell zu arbeiten. Immer mehr in immer kürzerer Zeit.

Momentan sind es vor allem Lehrer:innen. Es gibt einfach nicht genug von ihnen. Und sie sollen doppelt arbeiten: Präsenz- und digitalen -unterricht.

Oder Menschen in Pflegeberufen. Im medizinischen Bereich.

Oder Eltern. In Zeiten wie den unseren, in denen in der Regel beide Elternteile berufstätig sind, können Kinder nicht einfach zuhause bleiben. Stress ist vorprogrammiert sagen wir. (quasi eingeplant, gehört schon dazu…)

Diese Pandemie setzt alle unter Strom und Stress. Und wir wissen selbstverständlich, dass das, was wir jetzt versäumen, nicht nachgeholt werden kann. Inzwischen schon fast 2 verlorene Jahre. Das wirft uns in unserer Lebensplanung immens zurück. Kinder sind die Verlierer. Wir müssen das ausgleichen. Uns reinhängen. Wir müssen die Folgen dieser Pandemie möglichst mildern. Abfedern.

Sogar in der Gemeinde. Wie erreichen wir die, die nicht mehr kommen? Früher sind sie freiwillig und gerne selbst gekommen. Jetzt müssten wir doch nach ihnen schauen. Und die, die noch nicht ans digitale Netz angeschlossen sind. Die die App noch nicht heruntergeladen haben…

Ich habe nachgelesen: wenn der Körper nicht ausreichend Zeit zur Regeneration bekommt, folgt langfristig die Degeneration. Überlastung führt zu Krankheit und dauerhaften Einschränkungen.

Durch Belastung wird das physiologische Gleichgewicht gestört. Durch Regeneration wird der entstandene Mangel ausgeglichen. Die Energiespeicher wieder aufgefüllt. Körperlich, seelisch, geistig.

Im Verhältnis zur Masse ist dabei das Gehirn der größte Energieverbraucher. 20%. Denken, kreativ tätig sein, sprechen, den Körper steuern, verbraucht sehr viel Energie.

Deshalb müssen wir bei Regeneration vor allem auch an unser Gehirn denken. Das soll und muss zur Ruhe kommen können. Sich entspannen…

Wer sich einer ständigen Belastung aussetzt, riskiert seine Gesundheit. Körperlich, seelisch, geistig.

Ach, was wir nicht vergessen sollten: wer sich nicht belastet und sich, seinen Körper, seine Seele, seinen Geist anstrengt, riskiert auch Krankheit, Einschränkungen und Leistungsabfall. Ein nicht beanspruchter Muskel verkümmert. Wer seinen Geist, sein Gehirn nicht trainiert, lässt es verkümmern.

Auf das rechte Maß kommt es an. Auf das Gleichgewicht.

Halte den Ruhetag heilig. —— An sechs Tagen sollst Du arbeiten.

Wie wenn sie es gewusst hätten, konnte man am Freitag in der Stuttgarter Zeitung unter der Überschrift „So kommt die Familie stressfrei aus dem Haus“ lesen, was in diesen Zeiten hilft. Unter anderem: „Immer genug schlafen. Die Bedeutung von Schlaf wird bei uns völlig unterschätzt. Dabei ist das der beste Schutz gegen Stress und immens wichtig für unsere Gesundheit.“ Oder dass wir unsere Biologie berücksichtigen müssen. Jeder hat seinen eigenen Biorhythmus, braucht sein eigenes Tempo. Und dann wird noch die Bedeutung von Pausen betont.

Das wissen wir alles grundsätzlich. Aber manchmal muss man uns dann doch daran erinnern. Weniger ist mehr.

Einer der fünf Punkte, die Menschen am Ende ihres Lebens am meisten bedauern, ist, dass sie zu viel gearbeitet haben.

Der Ruhetag ist ein heiliger Tag. Er gehört zur Vollendung dazu. Er gehört zur Schöpfung dazu. Er ist mindestens so wichtig wie die sechs Tage davor. Du bist ein Geschöpf. Du brauchst Pausen. Du bist frei. Du darfst deinen eigenen Lebensrhythmus finden und leben.

Jesus braucht und sucht die Ruhe genauso wie alle Menschen. Er hält den Sabbat. Er entflieht der Arbeit. Um zur Ruhe zu kommen. Um zu beten.

Beten ist hier keine Leistung, sondern Regeneration. Auffüllen der Energiespeicher. Vor allem geistig und seelisch. Andocken an der himmlischen Tankstelle.

Wie wir alle muss Jesus dazu flüchten. Rausgehen. An einen einsamen Ort.

Ruhe muss man suchen, zur Ruhe muss man kommen. Ruhe ereignet sich nicht von allein. Zur Ruhe kommen, braucht Zeit.

Manchmal unterschätzen wir die Nachbrennzeit. Wisst Ihr was das ist? Nachbrennzeiten?

In einem Artikel über Fitness habe ich letzte Woche gelesen, dass nach einer Stunde schweißtreibendem Sport, die Energiezellen des Körpers noch bis zu 2 Tage danach bis zu 10% mehr Energie verbrauchen.

Das ist gut für alle, die abnehmen wollen.

Bedeutet aber für alle, die zur Ruhe kommen wollen, dass bei einer Stunde körperlicher Belastung die Energiezellen unseres Körpers erst 2 Tage später wirklich wieder zur Ruhe gekommen sind. Könnt Ihr Euch das vorstellen?

Ich versuche bei unserem Herd immer die Nachwärme zu nutzen. Die Platte ist noch lange nach dem Abschalten heiß.

Nachbrennzeiten. Wenn wir unseren Kopf zu Höchstleistungen getrieben haben, was glaubt Ihr, wie lange es dauert, bis er wirklich wieder zur Ruhe kommt? Stunden. Tage. Oft reicht dafür die Nacht nicht aus.

Was könnte wichtig sein für uns? Als Menschen. Als Christinnen und Christen, die ein gutes Leben im Sinne Gottes leben wollen?

1. Rhythmen sind wichtig: am Tag, in der Woche, im Jahr. Wann ist die Zeit für Ruhe? Am Tag? In der Woche? Im Jahr?

2. Die Bedürfnisse ändern sich im Leben. In jungen Jahren haben wir viel mehr Kraft und Energie. Wer älter wird, schafft zwar oft effizienter, vergeudet nicht mehr so viel Energie. Braucht aber länger um wieder zu Kräften zu kommen.

3. Kompromisse und Verabredungen sind wichtig. Manchmal geht’s halt nicht anders und der oder die andere muss auch zu ihrem Recht kommen. Da muss man dann halt durch. Und fährt im roten Bereich. In der Familie. In der Arbeit. Aber das kann nicht lange sein. Und kein Dauerzustand.

4. Wisst ihr, was Jesus gemacht hat, als die Jünger ihn suchten und ihn zurückholen wollten? „Lasst uns woanders hingehen …“ Jesus hat sich von den Menschen und der Situation in Kapernaum nicht vereinnahmen lassen. Manchmal braucht es den Schnitt, den Schritt heraus aus der Überlastung, aus der Vereinnahmung. Um sich selbst treu zu bleiben. Das eigene Leben, die eigene Berufung im Blick zu haben. Um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

5. Beten in diesem Fall ist keine Leistung und nichts, was man für andere tut. Man tut es für sich. Ich verstehe es hier als den Ort, an dem Jesus, an dem wir wirklich zur Ruhe kommen. Jemand hat mir erzählt, dass er in einen inneren „Gottesgarten“ geht. Der Ort der Stille. Eine Kirche, eine Bank, ein innerer Fluchtpunkt. Was ist dein Ort der Stille.

6. Auch das muss man üben und pflegen. Amerikanische Militärpiloten trainieren, jederzeit einschlafen zu können. Das kann nicht jeder. Aber es gibt Techniken und man kann es üben. Regeneration, zur Ruhe kommen kann man üben. Eine bestimmte körperliche Haltung, bestimmte Gedanken, die Atmung. Ein Wort. Vielleicht sogar ein Wort Gottes. Sich darauf konzentrieren. Es meditieren.

7. Vielleicht sollten wir unserem offiziellen Ruhetag, dem Sonntag, mehr Ruhe gönnen. Der Sonntag sollte nicht ein Tag sein, an dem man all das erledigt, zu dem man unter der Woche nicht gekommen ist: Sport, Büroarbeit, Steuererklärung, Wäsche, … Auch wenn ich zugeben muss, dass einem das manchmal auch zur Ruhe verhilft, wenn man das endlich geschafft hat.

8. ein Wort für diejenigen, die am Sonntag arbeiten (müssen): der Sonntag ist durch nichts wirklich ersetzbar. Weil ein kollektiver Ruhetag das ganze Leben runterfährt und wir schon äußerlich zu mehr Ruhe motiviert werden. Aber man kann natürlich auch an einem anderen Tag ruhen… Es hilft, wenn die Rituale und Abläufe dann immer gleich sind und wenigstens mir selbst signalisieren, dass jetzt Pause ist…

9. Für uns als Gemeinde würde ich sagen, dass es hilfreich ist, Aufgaben nur auf Zeit zu vergeben. So haben wir immer wieder die Möglichkeit, uns neu zu entscheiden und auch einmal eine Pause zu machen. Alle vier Jahre stellen wir unsere Gremien neu zusammen. Das ist gut. So entsteht immer wieder die Situation, dass wir neu entscheiden, uns neu orientieren können.

10. Niemand sollte zu viele Aufgaben übernehmen. Manche schaffen zwar gerne, aber wie im Berufsleben entstehen auch in der Gemeinde Stresssituationen, in denen man dann keine Reserven mehr hat.

11. Ein Wort an alle Vielbeschäftigten unter uns: Du solltest auch an Gottesdiensten teilnehmen ohne eine Aufgabe zu haben! Die Gemeinde, die Kirche sollte für jede und jeden auch der Ort der Gottesbegegnung sein. Der Ort, an dem man selbst ruhig ist und Gott reden kann…

12. So gesehen, war Corona für manchen von uns auch ein Segen. Erzwungene Pause, die sich manche fast schon sehnlichst gewünscht haben. Gemeindepause. Endlich ist mal nichts. Vielleicht sollten wir das zum Anlass nehmen und überlegen, ob wir nicht doch auch in der Gemeinde Zeiten einplanen, in denen nichts ist. Zwei Wochen? Vier Wochen? Alle sechs Wochen eine Ruhewoche. Alle sechs Monate einen siebten Ruhemonat. Ich bin mir sicher, wir fallen dabei nicht vom Glauben ab. Und wenn wir wirklich Teil der Gemeinde sind, werden wir nach einer Pause erfrischt und motiviert, mit neuer Kraft und voller Elan dastehen und durchstarten wollen.

Schon Martin Luther konnte sagen: „Während ich mein Wittenbergisch Bier trinke, läuft das Evangelium“.

Nehmen wir uns selbst nicht so wichtig. Die Welt, die Gemeinde, das Leben dreht sich, auch ohne dass wir ständig am machen sind.

Machen wir uns bewusst, was im Schöpfungsbericht anklingt: die Ruhe ist die Vollendung. Durch die Ruhe wird die Arbeit recht gewürdigt.

Deshalb heute die Einladung zur Ruhe. Zur Regeneration. Zur Stille. Nehmt euch genügend Zeit dazu. Gott segne diese Zeit der Stille. Amen

Stille – Kurzes Gebet

GB 420,1-4 (Wohl denen, die da wandeln, vor Gott in Heiligkeit, nach seinem Worte handeln und leben allezeit. Die recht von Herzen suchen Gott und seiner Weisung folgen, sind stets bei ihm in Gnad.)