Prediger: Pastor Markus Bauder
Textstelle: Eph 3, 14-21
14 Deshalb beuge ich vor dem Vater meine Knie. 15 Jeder Stamm und jedes Volk im Himmel und auf der Erde erhält seinen Namen von ihm. 16 Er soll euch so ausstatten, wie es dem Reichtum seiner Herrlichkeit entspricht: Durch seinen Geist soll er euch in eurer innersten Überzeugung fest machen. 17 Denn Christus soll durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Und ihr sollt in der Liebe verwurzelt und fest auf ihr gegründet bleiben. 18 So könnt ihr sie zusammen mit allen Heiligen in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe erfassen. 19 Ihr werdet auch in der Lage sein, die Liebe von Christus zu erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt. Auf diese Weise werdet ihr Anteil bekommen an der Gegenwart Gottes. Sie wird euer Leben ganz erfüllen. 20 Dank sei Gott, der die Macht hat, unendlich viel mehr zu tun – weit mehr als alles, was wir von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So groß ist seine Macht, die in uns wirkt. 21 Er regiert in Herrlichkeit in seiner Gemeinde – das heißt: in der Gemeinschaft derer, die zu Christus Jesus gehören. Das gilt für alle Generationen auf immer und ewig. Amen.
Das, was Paulus hier an die Epheser schreibt, ist nichts anderes als eine Revolution. Vor allem natürlich, wenn man die Sätze davor auch schon mitgelesen hat. Dort schreibt Paulus unter anderem:
Seit Menschengedenken wurde es niemandem in ähnlicher Weise gezeigt. Aber jetzt hat Gott es seinen heiligen Aposteln und Propheten durch seinen Geist offenbart: Die Menschen aus den anderen Völkern sind Miterben. Sie gehören mit den Juden zum Leib von Christus und haben zusammen mit ihnen Anteil an der Verheißung. (…)
Mir, dem unwürdigsten unter allen Heiligen, hat Gott diese Gnade geschenkt: Ich sollte den anderen Völkern verkünden, was für unbegreiflicher Reichtum ihnen mit Christus geschenkt worden ist. (…)
So sollte ich für alle ans Licht bringen, wie Gott das Geheimnis Wirklichkeit werden lässt. (…)
Weil wir zu Christus gehören, dürfen wir vertrauensvoll vor Gott treten und frei zu ihm sprechen. Das verdanken wir dem Glauben an Christus. (…) Dadurch erhaltet ihr Anteil an Gottes Herrlichkeit. (…) Deshalb beuge ich vor dem Vater meine Knie…
Was für eine unglaubliche Veränderung und Wandlung in der religiösen Welt. In der Welt des Judentums, aus dem dann das Christentum hervorging.
Paulus schreibt sich die Finger wund und versucht den Menschen in Ephesus das Unglaubliche zu erklären: Gott wendet sich nicht nur den Menschen jüdischen Glaubens zu, sondern allen Menschen. Auch ihnen, die gar nicht jüdischen Glaubens sind. Alle Menschen auf der ganzen Erde. Er wendet sich sogar denen zu, die gar nichts glauben.
Und dieser Gott wendet sich ihnen auf eine Weise zu, die wirklich sensationell ist. Nicht in Strafen und Drohungen erwartet er die Huldigungen und Danksagungen der Menschen, nein, er schenkt den Menschen seinen Namen, er will in und bei ihnen wohnen. Es ist die Liebe, die universale Gottesliebe, in der ihnen Gott durch Jesus Christus begegnen will.
Diese Liebe, dieses Geschenk, diese Zuwendung sollen sie in ihrer ganzen Breite, Länge, Höhe und Tiefe erfassen. Durchdringen, in sich aufnehmen.
Diese Liebe soll sie ausfüllen, das ganze Leben ergreifen, denn jeder, wirklich jeder bekommt seinen Anteil daran. Jede und jeder, der das will und sich diesem Gott, der sich Jesus Christus öffnet und zuwendet. Das ist eine Sensation, eine Revolution. Einen solchen Glauben, eine solche Gottesvorstellung gab es damals einfach nicht.
Deshalb unterteilt man die Weltgeschichte ja in ein „vor Christi Geburt“ und „nach Christi Geburt“ … Bis dahin waren die Göttervorstellungen eher die von Stammesgöttern oder Volksgöttern. Exklusiv für ein Volk oder einen Stamm. Und die Götter mussten mit allerlei Opfergaben milde gestimmt werden. Schlechte Dinge wie Missernten, Kriege, Unglück und Not waren Strafen Gottes und wems gut ging, der hat alles richtig gemacht.
Aber jetzt – keine Stammesgötter mehr. Keine Opfergaben mehr. Keine Strafen mehr. Der Gott der Liebe, der sich in Jesus Christus zeigt und sich allen Menschen zuwendet. In ihnen wohnt, mit ihnen lebt und im Dialog unterwegs ist. Zu dem man sogar Vater oder Mutter sagen kann.
Das ist die Erkenntnis aller Erkenntnisse! Eine Erweiterung der religiösen Vorstellung, die es bisher so noch nicht gegeben hat.
Der Himmel ist offen! Man muss ihn sich nicht verdienen! Nicht opfern und darum bitten und betteln.
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Ich versuche mir manchmal vorzustellen, wie das für Paulus gewesen ist, als diese Erkenntnis so allmählich in ihm gewachsen ist. Wie er mit der Zeit gemerkt hat, dass das, was er bekämpft hat, eigentlich die Wahrheit aller Wahrheiten ist. Die neue Zeit. Die Sensation. Und er dazu berufen ist, die in der ganzen damaligen Welt bekannt zu machen.
Dazu das Erlebnis vor Damaskus, das ihn buchstäblich vom Pferd gehauen hat.
Wie ist das, wenn man merkt, dass das, was man bisher so geglaubt hat, irgendwie ganz anders ist. Viel größer, viel weiter als man das je denken konnte. Wie ist das, wenn man das Gefühl hat, dass einem die Augen geöffnet werden. Man sieht Neues, Unglaubliches, Sensationelles. Er, der Theologe, Schriftgelehrte und Pharisäer, der auf einmal über den Tellerrand hinausblicken kann, ja hinausblicken muss. Und nicht mehr dahinter zurückkann und will. Nichts ist mehr so wie vorher …
Ich kann mir vorstellen, dass Paulus, von dieser Einsicht überwältigt, nicht mehr aufhören kann, davon zu sprechen, darüber zu schreiben, es mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, in die Welt hinauszurufen. Zum Beispiel im Brief an die Epheser…
Paradigmenwechsel nennt man das oder Zeitenwende. Es gibt ein davor und danach. Ein vorher – nachher. Und dabei geht es nicht um verlorene Kilos und Muskelwachstum, sondern um eine neue Weltsicht
Kennen Ihr das? Kenne ich das?
Wir, die wir häufig in christlichen Kirchen und Gemeinden aufgewachsen sind, sind doch bereits mit dem lieben Gott groß geworden. Mit dem guten Hirten, der seine Schafe liebt und sein Leben für sie gibt… Wir hatten doch noch nie den Gedanken, dass man Gott Opfer bringen muss. Oder dass Jesus Christus für allem Menschen auf die Erde gekommen ist. Für wirklich alle…
Hm … Die große Begeisterung und Freude scheint das aber nicht bei uns auszulösen. Das ist kein Booster, kein Energieriegel, der uns auf die Straße treibt oder begeistert reden lässt.
Viele von uns schauen in den Spiegel und finden sich „nicht ok“.
Selbst wir Christinnen und Christen sind müde von den ständigen Anforderungen und Ansprüchen, die Familie, Beruf und oft auch noch die Kirche fordern.
Wir werden älter und sorgen uns um die Zukunft. Kriege, Klima, Radikalismus, neue Nazis, neue Ungerechtigkeiten und neue Unterdrückung. Selbst in Ländern und unter Völkern, wo wir dachten, die wären darüber hinaus.
Viele vergleichen die Gegenwart ständig mit der Vergangenheit oder sich mit anderen. Und immer merkt man, das passt nicht.
Früher wars besser und selber kann man niemals mit allem und jedem mithalten. Ich opfere mich buchstäblich auf, aber es bringt nicht das, was ich mir erhoffe. Glück. Freiheit. Freude. Zufriedenheit. Ein Stückchen Himmel auf Erden.
Wo ist unsere Hoffnung hingekommen? Unsere Begeisterung?
Warum sagen wir uns und den Menschen, mit denen wir zu tun haben, nicht viel häufiger „Du bist gerettet!“?
Oder „Dein Leben ist geborgen und gehalten hier und bis in alle Ewigkeit!“.
Oder „Du musst nicht schön sein, gut oder schlank, ein toller Hecht sein – du bist ok. Gott liebt dich. Und wir auch!“
Warum sagen wir uns und anderen nicht: „Es ist alles getan!“ jedenfalls alles, was wirklich zählt, wenn es um unser Seelenheil geht. Wir sind geliebt. Es ist ok. Wir haben durch Christus auch noch eine andere Sicht auf die Dinge, die das Leben bedeuten.
Das jedenfalls wünsche ich Euch. Dass Euch das immer wieder jemand sagt. Und Ihr es ähnlich wie Paulus erfassen könnt. Dass es Euer Herz erfüllt, ein Lächeln in Euer Gesicht zaubert und Euch fröhlich jeden Tag losziehen lässt.
Stille – Gebet
Gebet
Gott, der du nicht nur die Welt, sondern jeden Menschen liebst. Der du mich liebst und alles für mich getan hast. Der du mir den Himmel geöffnet hast. Gott ich danke dir dafür und bitte dich, dass diese Einsicht mein Leben erfüllt. Dass du mein Leben füllst in seiner Länge und Breite, in seiner Höhe und Tiefe.
Und ich bitte dich, dass man mir das dann auch abspürt und ansieht, dass ich ein von dir geliebtes Kind bin. Schenke diese Einsicht nicht nur mir, sondern allen Menschen. Besonders denen, die das heute ganz nötig brauchen.
Gemeinsam beten wir mit den Worten, die Jesus seine Jüngerinnen und Jünger zu beten gelehrt hat:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme, Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.