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Predigt: Arche gestrandet

Predigt von Pastor Markus Bauder gehalten am 26.02.2023 in der Hoffnungskirche.
Text/Thema: Arche gestrandet (1.Mo 8,13-22)
Die Predigt hier auf unserem YouTube-Kanal anhören.

1. Mose 8,13-22 (BasisBibel)

Im 601. Lebensjahr Noahs, am ersten Tag des ersten Monats, war das Wasser verschwunden und die Erde trocken. Noah entfernte das Dach von der Arche und sah, dass der Erdboden trocken war. Am 27. Tag des zweiten Monats war die Erde ganz trocken. Da sagte Gott zu Noah: »Geh aus der Arche hinaus – zusammen mit deiner Frau, deinen Söhnen und den Frauen deiner Söhne! Nimm all die Tiere mit hinaus, die bei dir sind: die Vögel, das Vieh und alles, was auf dem Boden kriecht. Auf der Erde soll es von ihnen wimmeln. Sie sollen fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren.« Da ging Noah hinaus – mit seinen Söhnen, seiner Frau und den Frauen seiner Söhne. Dann kamen alle Tiere, alles, was kriecht, und alle Vögel. Alles, was sich auf der Erde regt, zog nach Arten geordnet aus der Arche hinaus.

Noah baute einen Altar für den Herrn. Von den reinen Tieren und den reinen Vögeln brachte er einige auf dem Altar als Brandopfer dar. Der Geruch stimmte den Herrn gnädig und er sagte zu sich selbst: »Nie wieder will ich die Erde wegen der Menschen verfluchen. Denn von Jugend an haben sie nur Böses im Sinn. Nie wieder will ich alles Lebendige so schwer bestrafen, wie ich es getan habe. Solange die Erde besteht, werden nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.«

Ich habe mich nun einige Zeit mit dem Thema und der Geschichte rund um die Arche beschäftigt. Wir haben sie im Zoombibelkreis angesprochen, im Männerabend und in der Bibelstunde.

Ich bin noch nicht fertig mit der Geschichte … Und ich habe Neues gelernt.

Z.B., dass die Sintflutgeschichte vermutlich Ereignisse zusammenfasst, die sich vor 8000 Jahren im Schwarzen Meer abgespielt haben. Durch eine Warmzeit nach einer Eiszeit schmolzen riesige Wassermengen und ließen die Meeresspiegel ansteigen. Wasser floss mit großer Gewalt und in riesigen Mengen vom Mittelmeer durch den Bosporus in die tiefer liegenden Gebiete, die heute das Schwarze Meer bilden. Durch die Veränderungen des Klimas regnete es sehr viel mehr als heute in diesen Gegenden.

Große Landschaften und bewohnte Gebiete versanken im Wasser. Der gewohnte Lebensraum von vielen Menschen verschwand auf immer.

Die Sintflutgeschichte der Bibel konzentriert die Ereignisse auf eine Person und ihren Glauben an Gott. Noah und seine Familie.

Ich stelle mir inzwischen vor, dass Noah in einer Gegend lebte, in der es kein Meer gab. Beschauliches Tiefland. Felder, Wälder … Und dann rückt das Wasser zusehends näher. Immer mehr Überschwemmungen. Aber man weiß natürlich nicht, woher das Wasser kommt.

Überschwemmung und sintflutartiger Regen als eine Strafe Gottes. Noah ist ein gläubiger Mensch und gewinnt mit der Zeit die feste Überzeugung, dass Gott in beauftragt, ein riesiges Schiff zu bauen. Mitten in einer Gegend, in der es ein solches Schiff nicht braucht. Und dann verschwindet tatsächlich die ganze bis dahin bekannte Welt für immer im Wasser. Noah ist zwar gerettet, aber in einer völlig neuen Situation: die Weite seines bisherigen Lebens ist auf die Arche beschränkt. Ein Kasten, der anscheinend keine Fenster hat. Das Dach ist geschlossen und schützt so vor dem Regen.

Ein ganzes Jahr lang, heißt es im Text, sind sie in der Arche. Geschützt, gerettet. Und sie haben sich mit der Zeit eingerichtet. Wer für was zuständig ist, ist geklärt und funktioniert. Wie das Leben auf engem Raum mit all den Tieren funktioniert auch. Ebenso wo der Glaube an Gott praktiziert wird. Sicher hat Noah auch in der Arche einen Ort dafür. Einen Herrgottswinkel oder Hausaltar.

Im Laufe der Zeit verändert sich die Welt außerhalb der Arche. Es hört auf zu regnen. Alles menschliche Leben ist verschwunden. Die Welt wie es sie gab, gibt es nicht mehr. Untergegangen. Unwiederbringlich.

Irgendwann strandet die Arche. Das heißt, sie stößt auf Grund. Sie bleibt an einem Ort, von dem niemand weiß, wo das ist, hängen. Gestrandet meint dabei nicht, dass man am Ende angekommen ist. Gestrandet meint eher einen Doppelpunkt. Angekommen. Aber man weiß nicht genau wo. Und man weiß nicht genau, wie es von da an weitergeht. Gestrandet meint, dass die Welt und die Umgebung an der man sich wiederfindet, neu ist. Ungewohnt.

Nachdem Noah den Mut hatte, das schützende Dach der Arche aufzubrechen und er sieht, dass die Zeit der Arche vorbei ist, geht er aus der Arche hinaus. Und baut Gott am neuen Ort einen Altar.

Er nimmt damit auch die neue Situation als erstes aus Gottes Hand. Gott hat ihn und seine Familie gerettet. Gott und die Beziehung zu ihm steht auch am Beginn der neuen Zeit.

Ein wichtiges Kennzeichen der neuen Zeit ist auch, dass von Gott anders geredet wird als vorher. Vor der Sintflut straft Gott böses Verhalten. Nach der Sintflut sagt Gott „das mache ich nie wieder“. In Kapitel 9 können wir dann lesen, dass er für sich und für uns als Erinnerungszeichen den Regenbogen an den Himmel setzt. Man kann durchaus sagen, dass auch Gott durch die Sintflut ein anderer geworden ist.

Wenn man bereit ist, diese Situation auf das eigene Leben, auf unsere Zeit oder auch auf unsere Kirche zu beziehen, dann ergeben sich daraus sofort ein paar interessante Fragen und Blickrichtungen.

Ich denke, wir sind in einer neuen Welt angekommen. Manche hoffen zwar noch, dass man am Früher wieder anknüpfen kann. Und das kann man sicher da und dort. Aber es ist wie in der Mode auch. Selbst wenn es jetzt wieder weite Hosen mit hohem Bund gibt – meine alte Hose von vor 25 Jahren passt trotzdem nicht in die neue Zeit.

Ich sage nur Inflation, Klimakrise, Krieg.

Ich denke, dass wir lernen müssen uns zu bescheiden. Weniger zu fliegen. Weniger Auto zu fahren. Weniger Autos zu kaufen. Nicht immer mehr, größer, toller, luxuriöser… Sondern mit weniger zufrieden sein.

Ich habe das Gefühl, ich erlebe das zum ersten Mal in meinem Leben.

Es ist vielleicht noch nicht so gravierend. Und anscheinend können sich immer noch viele Stuttgarter große Autos leisten. Aber spüren tun wirs. Vor allem, wenn die Energie- und Lebenshaltungskosten weiter steigen.

Die Klimakrise verunsichert junge Leute wirklich spürbar und nachhaltig. Sie haben das Gefühl, dass es mit der Welt wirklich bergab geht. Die Meeresspiegel steigen, die Naturkatastrophen nehmen zu. Die letzte Generation ist zwar vielleicht nicht die letzte, aber so viele werden es nicht mehr.

Der Krieg in der Ukraine verunsichert ebenfalls. Auch das Gefühl, dass man nichts dagegen tun kann. Außer mitzumachen beim Aufrüsten. Böse und absichtliche Gewalt lässt sich eben nicht mit friedlichen Mitteln beenden.

Corona hat für viele Menschen die Einsamkeit erhöht. Was man oft nicht sieht. Die Digitalisierung tut ihr übriges dazu. Man denkt zwar, dass das ein Vorteil ist, aber viele Menschen haben spürbar weniger soziale Kontakte. Und wenn wir erstmal aufhören, uns zu treffen dann sind wir schnell alleine.

… Und darauf angewiesen, dass die Informationen, die wir erhalten, wahr sind. Gerade in der digitalen Welt sind Zweifel angebracht. Ob die Bilder echt sind, die wir sehen? Oder die Texte, die wir lesen? Wir wissen es nicht. Es gibt Firmen, die uns mit Falsch- und Halbwahrheiten manipulieren. Ich meine, dass mit den digitalen Medien inzwischen auch eine Verunsicherung einhergeht. Wem oder was kann ich eigentlich noch trauen? Was stimmt, was nicht?

Nun werden mir wahrscheinlich die Älteren unter euch sagen, dass es das früher auch schon alles gab. Und wir leben immer noch.

Das stimmt.

Inflation und Währungsreform hat viele Menschen arm gemacht. Zurzeit des sauren Regens gabs den Spruch: „Erst stirbt der Wald, dann du!“. Es gab die Pocken und Aids. Wo heute die Russen und Putin die Bösen sind, waren es früher Nazideutschland und Hitler. Ganz ähnlich.

Nur … Was auf die Krise folgte war immer eine Neuausrichtung. Die einhergegangen ist mit massiven Veränderungen. Unsere Wälder gibt es noch, weil es den sauren Regen nicht mehr gibt. Wir versuchen eine soziale Marktwirtschaft, in der Gerechtigkeit ein wichtiger Wert ist. Die Gefahr von Aids wurde verringert durch Kondome und massive Aufklärung, einhergehend mit medizinischer Entwicklung. Das waren deutliche Veränderungen.

Ich gehe davon aus, dass wir in Zeiten stehen, in denen sich vieles ändert. Ändern muss. Zeiten, in denen wir als Kirche, ähnlich wie Noah, aus der Arche heraustreten müssen und in die neue Zeit gehen…

Manchen, eher Jüngeren, aber manchmal sogar mir, kommt Kirche vor wie eine Arche, die ihre Zeit überlebt hat. Es regnet nicht mehr, das Wasser hat sich verzogen. Man muss raus aus der Arche.

Wir wissen nicht mehr richtig, wie die Menschen außerhalb der Kirche leben. Was sie brauchen und was nicht. Und warum es sie nicht interessiert, was wir hier in der Kirche machen. Es fällt ja selbst uns seit vielen Jahren schwer, selbst unseren eigenen Kindern zu vermitteln, dass Kirche und der Glaube wichtig sind und sie gerne kommen und mitmachen.

Auf welche Weise wollen wir denn als Gemeinde als Kirche in die neuen Zeiten gehen? Was von den Dingen, die uns unsere Arche, unsere Gemeinde bedeutet, brauchen wir unbedingt in der neuen Zeit und was möglicherweise nicht? Was ist vorbei? Und was auf gar keinen Fall? Darum geht’s…

Noah hat als erstes einen Altar gebaut. Und wieder neu Kontakt zu Gott geknüpft. Das ist mir wichtig: dass wir uns als Einzelne und als Gemeinde bewusst machen: wir brauchen und wir wollen in Kontakt mit Gott sein und kommen. Auf unsere, auf eine durchaus moderne, zeitgemäße Weise. Anders als in der Arche, aber wir brauchen den Kontakt zu Gott, das Gebet. Den Zugang zu seinem Wort. Zu seinen Verheißungen. Zu seinem Segen.

Was wir unbedingt brauchen, hat jemand im Männerabend gesagt, ist, die leichte Art, wie wir in Beziehung zu einander kommen und das gestalten. Wir haben erkennbar Interesse aneinander. Beziehungen haben bei uns immer wieder auch den Charakter von Freundschaften. Das muss nicht immer sein, entsteht aber bei uns. Das ist etwas Gutes. Wir tun uns leicht, auch mal miteinander zu essen, Zeit miteinander zuzubringen und inhaltliche Dinge miteinander zu besprechen.

Bei uns kann sich jede und jeder einbringen mit dem, was er hat oder mitbringt. An Fragen. Oder auch an persönlichen Interessen. Wir haben wenig Vorurteile, was Lebensstile, Frömmigkeitsformen oder Liebesweisen betrifft. Wir pflegen eine große Offenheit. Ohne dass sie beliebig ist oder gleichgültig.

Das alles ist Gemeinschaft im besten Sinn des Wortes. Das wollen und das sollten wir weiter pflegen und intensivieren.

Jemand hat auch gesagt, wir sollten unsere Vielfalt mit in die neue Zeit nehmen. Auch unsere musikalische Vielfalt. Für die ich auch heute wieder außerordentlich dankbar bin.

Wie und auf welche Weise verändert sich möglicherweise auch unsere Vorstellung, unser Reden von Gott? Mir hat mal jemand gesagt „Sie haben noch nie das Gericht gepredigt“. Ja, hab ich gesagt, das stimmt. Das passt auch nicht zu meiner Vorstellung von Gott.

Wie verändert unsere heutige Welt und unsere Weltsicht auch unsere Vorstellung von Gott. Unser Reden von ihm. Das tut sie sicher. Wie bereits in der Bibel. Und bis zum heutigen Tag.

Dazu gäbe es noch viel zu sagen. Unzählige Blickwinkel und Sichtweisen. Die Noahgeschichte fasziniert und regt an, wenn wir sie mit unserer Zeit in Berührung bringen. Wenn wir bereit sind, die Zeichen der Zeit zu sehen und uns umzuschauen. Wenn uns interessiert, was um uns herum geschieht. Und wir es nicht unter der Perspektive „Böse Sintflut“ betrachten, sondern unter der Perspektive: Arche gestrandet. Was jetzt? Auf, lasst uns in eine neue Zeit gehen. Mit Gott und dem Vertrauen, dass er uns hält und trägt. Dazu möchte ich uns immer wieder anregen. Wir sollen neugierig sein. Interessiert an dem, wie die Menschen sind. Was sie beschäftigt. Was uns beschäftigt.

Und das mit unserem Glauben in Berührung bringen. Und miteinander.

Gott begegnen. Menschen begegnen. Hier in der Hoffnungskirche. Und wo immer wir einander treffen.

Herzliche Einladung dazu. Gott segne uns. Amen

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