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Predigt: Gemeinschaft der Christen Apg. 2,42-47

Text/Thema: Apg 2,42-47

Gehalten (Datum/Ort): 23.07.23 S-HK (Livestream); m.bauder

Apg 2,42-47 (BasisBibel)

Die Menschen, die zum Glauben gekommen waren, trafen sich regelmäßig und ließen sich von den Aposteln unterweisen. Sie lebten in enger Gemeinschaft, brachen das Brot miteinander und beteten. Die Leute in Jerusalem wurden von Ehrfurcht ergriffen. Denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Alle Glaubenden hielten zusammen und verfügten gemeinsam über ihren Besitz. Immer wieder verkauften sie Grundstücke oder sonstiges Eigentum. Den Erlös verteilten sie an die Bedürftigen – je nachdem, wie viel jemand brauchte. Tag für Tag versammelten sie sich als Gemeinschaft im Tempel. In den Häusern hielten sie die Feier des Brotbrechens. Voller Freude und in aufrichtiger Herzlichkeit aßen sie miteinander das Mahl. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk hoch angesehen. Der Herr aber führte täglich weitere Menschen zur Gemeinde, die gerettet wurden.

Ich bin immer wieder fasziniert von Texten aus der Bibel. Auch von dem, den wir eben gehört haben. Fasziniert. Und auch ein bisschen erschreckt. Fasziniert, weil dort beschrieben ist, wie mit Pfingsten und Jesus etwas völlig Neues in der Welt Fuß gefasst hat. Etwas, das im Grunde wirklich klasse und gut ist.

Und ich bin erschreckt, weil ich immer wieder sehe, dass ich, das wir immer noch im Alten Muster feststecken. Das, was an Pfingsten begonnen hat, hat sich keineswegs überall durchgesetzt. Auch nicht in der Kirche. Auch nicht bei mir oder bei uns. In Ansätzen schon. Aber keineswegs durchgängig. Das irritiert mich.

Mit Pfingsten beginnt etwas, das die Welt wirklich grundlegend ändern könnte: dass sich die Menschen verstehen obwohl sie unterschiedlich sind und unterschiedliche Sprachen sprechen.

Und dass sie das Leben und die Mittel zum Leben miteinander teilen. Jeder bekommt das, was er oder sie zum Leben braucht.

Pfingsten ist die Umkehrung des Turmbaus zu Babel. Beim Turmbau entzweiten sich die Menschen und verstanden sich nicht mehr. Sprachverwirrung. Sie liefen auseinander. Grenzten sich von da an ab.

Pfingsten hat die Sprachverwirrung aufgehoben. Menschen verstehen einander, obwohl sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Das ist das Neue und Gute: dass wir, obwohl wir unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedlichen Kulturen kommen, einander verstehen könnten, unsere Bedürfnisse und Interessen gegenseitig wahrnehmen. Dass wir uns kennenlernen, achten und wertschätzen.

Das andere Neue an Pfingsten ist die Umkehrung von mein und dein. Mit der Seßhaftwerdung der Menschheit in grauer Vorzeit begann nicht nur eine Entwicklung, die zu Ortschaften, Dörfern und Städten führte, sondern es begann auch die Unterscheidung in mein und dein. Mein Land und dein Land. Damals wurde der Gartenzaun erfunden. Land gehört mir. Oder eben dem Nachbarn. Mein Haus, mein Pferd, mein Segelboot.

Pfingsten bedeutet auch die Auflösung von mein und dein hin zu unser aller, bzw. wer braucht was?

Vielleicht wird das hier etwas idealisiert dargestellt. Vielleicht hat Lukas etwas übertrieben. Wobei etliche Ausleger der Meinung sind, dass es diesen Urkommunismus vermutlich schon gegeben hat, denn die Gemeinde in Jerusalem galt einige Jahre später als extrem verarmt und angewiesen auf die Unterstützung der griechischen Gemeinden. Paulus lässt Geld sammeln für die Geschwister in Jerusalem. Es hat diese Form des gemeinsamem Teilen gegeben, das Experiment ist aber am Ende gescheitert. Weil die Wiederkunft Christi ausgeblieben ist und man ein Grundstück halt nur einmal verkaufen kann.

Trotzdem gilt die Idee dahinter als eine gute. Als Geist von Pfingsten. Das, was die Christen damals versucht haben, miteinander zu leben, war richtig. Und es war durchaus attraktiv. Die Christen waren hoch geschätzt in der Jerusalemer Gesellschaft. Warum? Weil sie etwas versucht haben, nach dem sich viele Leute sehnen. Dass Menschen friedlich und freundlich miteinander und zusammen leben. Unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche gesellschaftliche Schichten.

Das funktioniert in der Regel nicht. Aber bei den Christen hat es anscheinend funktioniert. Sie haben es zumindest gewollt und versucht.

Und dann hingen die Christen anscheinend nicht so sehr an mein und dein. In antiken Gesellschaften gab es noch viel deutlichere Trennungen und Unterschiede der unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten als bei uns heute. Man konnte keinesfalls einfach so von einer Schicht in die andere wechseln. Es gab Sklaven. Es gab die Unterschicht, es gab die freien Bürger. Adlige. Unterschiedliche Völker. Berufsgruppen. Das alles war fein säuberlich getrennt. Das war in der Regel sogar gesellschaftlich akzeptiert. Daran rüttelte man nicht. Den Stand wechselte man nicht. Man blieb unter sich.

Die Christen übersprangen die gesellschaftlichen Konventionen. Reiche Leute teilten ihren Besitz, damit Arme etwas zum Leben haben. Oder mit Fremden. Man sprach sogar von gemeinsamem Besitz, der irgendwie allen zugute kommen konnte. Nicht jedem das seine, sondern allen alles. Alle trafen sich, alle aßen miteinander.

Ich stelle mir vor, dass das damals nicht anders ankam als heute: einerseits schaffen die meisten es nicht, so zu leben. Man meint, man müsste auf zu viel verzichten. Man gibt Individualität auf und Freiheit.

Andererseits ist es schon auch faszinierend, wenn Leute so leben. So miteinander. Alles gehört allen. Man nutzt Ressourcen, Fähigkeiten und Möglichkeiten gemeinsam. Man braucht viel weniger. Auf diese Weise ist der Einzelne viel mehr als wenn er alleine wäre. Die Gemeinschaft ist mehr und stärker als die Summe ihrer Teile. Ein attraktives, alternatives Lebensmodell.

In meiner Jugend haben wir in der Kirche ab und zu eine Woche gemeinsamen Lebens gestaltet. Das war schon irgendwie toll.

Diakonissengemeinschaften, Kommunitäten, gemeinsame Lebensmodelle. Die sind nicht nur abschreckend, sondern auch attraktiv. Vor allem, wenn man alleine lebt, wenig oder kaum Familie hat.

Heute gibt es wieder alternative Wohnprojekte, Alters-WGs und Generationenhäuser. Wir kapieren allmählich, dass das Einfamilienhaus mit Garten und Zaun unter Umständen nur für eine bestimmte Lebensphase interessant ist. Wenn man nämlich genug Geld hat, gesund ist und nicht alleine.

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Wenden wir uns noch etwas Entscheidendem zu: der Grundlage dieses Lebensmodells. Die Grundlage dieses Modells ist nicht, dass die alle so nett waren oder so vernünftig. Sicher kein Fehler. Aber das wichtige hier sind die sogenannten notae ecclesiae – die Kennzeichen von Kirche. So nennt man die vier Bausteine, die in unserem Text in Vers 42 stehen: die Lehre der Apostel, das Gebet, die Gemeinschaft und Brotbrechen.

Das unterscheidet die Christen, die Kirche von einem Verein oder anderen Gruppen. Die Leute treffen sich auf einer gemeinsamen Basis, bei der diese vier Dinge eine Rolle spielen: eine gemeinsame Lehre, das Beten, miteinander leben und das Abendmahl.

Die Lehre der Apostel ist nicht einfach die Bibel, sondern der Apostel selbst. Ein Mensch, von dem man geglaubt hat, dass der nahe an Jesus dran war. Und mit dem man in einem ständigen Dialog, in einer Auseinandersetzung unterwegs war: wie hat Jesus über diese oder jene Frage gedacht. Welche Meinung hat er zu … Auch wenn es das damals noch nicht gegeben hat, was vermutest du, hätte Jesus zu unserem heutigen Problem gesagt. Deshalb schreiben Paulus und Petrus Briefe. Oder sammeln Matthäus, Markus, Lukas und Johannes die Geschichten von Jesus in Evangelien. Die Lehre war nichts Abgeschlossenes oder Dogmatisches. Die Leute in den Gemeinden wollten wissen, wie sie es machen sollen und dann befand man sich in einer Lerngemeinschaft. Solche, die schon mehr wussten und andere, die noch wenig wussten.

Und gebetet. Jede und jeder für sich. Miteinander. Füreinander. Für die Welt. Beten meint dabei, den Kontakt zu Gott suchen. Mit Gott reden. Vor Gott treten. Miteinander. Füreinander. Jeder für sich. Wer miteinander betet, kommt über seine Wünsche miteinander ins Gespräch und vor Gott. Das ist etwas Spannendes – was wünscht Du Dir von Gott? Und Du? Oder Du? Sehr persönlich. Aber auch sehr verbindend.

Beten heißt, die Gebete, Bitten vor Gott bringen. Selbst daran mitwirken, persönlich betroffen zu sein, aber es letztlich Gott überlassen. Dein Wille geschehe. Das bewahrt davor, sich gegenseitig für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich zu machen. Beten heißt miteinander verbunden zu sein und trotzdem frei.

Das ist das zweite verbindende Element der Christen.

Gemeinschaft und Brotbrechen. Brotbrechen, damit ist das bewusste Erinnern an Jesus gemeint. An seinen Tod und die Auferstehung. Verbunden mit einem Essen am Abend, einem Abendmahl, bei dem alle, ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung dabei waren – eigentlich unmöglich und trotzdem faszinierend. Alle treffen sich zum Gastmahl. Zum Essen. In der Erinnerung an Jesus, der die gesellschaftlichen Grenzen aufgelöst hat. Der eine neue Gemeinschaft gestiftet hat.

Man traf sich im Tempel. Der aber nicht nur den Christen vorbehalten war. Da waren alle. Sich dort als besondere Gruppe oder Gemeinschaft zu treffen war gar nicht so einfach. Besser, einfacher und gleichzeitig herausfordernder war das andere: sich in den Häusern zu treffen.

Die Gemeinde trifft sich bei dir zuhause. Jung und alt, reich und arm, verschiedene Sprachen, alle Menschen, die schon dazugehören und auch die, die als Gäste dabei sind.

Wann hattet ihr das letzte Mal eine solche Gruppe zu Gast. Zuhause.

Es gibt sehr gastfreundliche Menschen. Aber es gibt viele, die nicht oft Besuch einladen. Zu sich nach Hause. Auch unter Christen beschränkt man sich häufig auf die Familie oder eine kleine, meist recht begrenzte Gruppe. Freunde. Gleichgesinnte.

My home is my castle. Mein zuhause ist meine Burg. Mein Schutzraum. Da will ich gar nicht, dass da andere reinschauen. Allein die Vorstellung, dass andere sehen wie ich so lebe … Erschreckend…

Und gleichzeitig auch faszinierend. Wenn das gelingt. So ein Leben miteinander.

Ja, wenn es neue Formen gäbe… Man muss ja nicht gleich alles teilen … Man kann ja auch mal klein anfangen.

Unsere Gemeindespaziergänge waren so ein Versuch… Unsere Aktion, uns gegenseitig Gäste zum Abendessen zuzulosen ebenfalls. Mit:teilen. Hauskreise.

Vielleicht könnte auch der 13. August so ein Termin sein. Wir haben ihn mal Wohnzimmergottesdienst genannt. In der Hoffnungskirche und Friedenskirche findet kein Gottesdienst statt. Zumindest kein offizieller. Und Ihr sollt trotzdem Gottesdienst feiern mit dem kleinen Gottesdienst von radio-m. Ihn anhören und dann miteinander ins Gespräch kommen. Mit denen, mit denen ihr diesen Gottesdienst anhört und feiert. Möglichst nicht alleine. Zu zweit, als Familie, oder indem ihr tatsächlich noch jemand anderen einladet. Zuhause, oder in den Garten oder auf einen Grillplatz, Spielplatz, oder wegen mir auch in die Gemeinderäume… Der kleine Gottesdienst dauert 10-12 Minuten – ihr habt also gut Zeit, noch vieles andere zu tun. Oder gemeinsam zu essen. Das Mahl zu teilen. Ins Gespräch kommen, vielleicht auch beten…

Faszinierend und auch ein bisschen erschreckend. Die Hürde soll aber möglichst klein sein. Damit wir es trotzdem wagen.

Ich glaube, christliche Gemeinschaft und Gemeinde kann auch heute wieder ein attraktives Modell sein, wie man in unserer Zeit, in unserer Gesellschaft miteinander im Leben unterwegs ist. Mit Gottes Geist und seinem Segen. Auf zu einem neuen Miteinander. Kirche, die sich in Begegnungen ereignet. Wie damals. Das wünsche ich uns. Amen.

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