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Predigt: “mitmachen erwünscht”

Pastor Markus Bauder gehalten am 28.01.2024 in der Hoffnungskirche und am 04.02.2024 in der Friedenskirche
Text/Thema: „mitmachen erwünscht“ (Epheser 2,19-22)
Die Predigt hier auf unserem YouTube-Kanal anhören.

Epheser 2,19-22 (BasisBibel):

Ihr seid also nicht mehr Fremde und ohne Rechte in Israel. Ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft. Ihr seid gegründet auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Grundstein Christus Jesus ist. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten. So wächst er zu einem heiligen Tempel empor, der dem Herrn gehört. Weil ihr zum Herrn gehört, werdet auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt. Gott wohnt darin durch den Heiligen Geist.

Mitmachen erwünscht!

Für manche von uns war letztes Wochenende wirklich so ein Moment wo wir gesagt haben: endlich können wir unsere Stimme erheben. Endlich mal wieder demonstrieren. Sich positionieren. Gegen rechts zu sein und für eine offene Gesellschaft, in der jede und jeder seinen Platz haben kann und soll. Endlich eine Form, wo auch ich gutbürgerlicher Mitläufer endlich mal sagen kann, dass ich für Demokratie bin. Ein kleines Zeichen setzen gegen die ständige Berichterstattung, dass die AfD und die Rechten immer stärker werden.

Man hat ja schon völlig vergessen wie das in unserer Jugend war. Da sind wir gefühlt öfter auf die Straße. Gegen den Natodoppelbeschluss. Gegen Atomkraft. Für den Frieden. Gegen Krieg.

Ich fand und finde das wichtig. Dass man nicht nur schweigt. Und sich wegduckt. Wird schon nicht so schlimm werden … Niemand kann am Ende sagen, er hätte es nicht gewusst … Das hatten wir doch alles schon mal …

Mitmachen erwünscht!!

Das ist der Sinn eines demokratischen Systems. Dass man mitspricht. Mitmacht. Mitentscheidet. Dass man Teil des Ganzen ist und sich beteiligt. Auf allen möglichen Ebenen.

Wer das nicht will, wählt die Diktatur. Oder die Monarchie. Eben eine autoritäre Struktur, in der man macht, was Andere sagen.

Das geht natürlich auch. Siehe Russland oder China. Oder Königreiche. Oder das System Donald Trump.

Man kann natürlich auch in einem solchen System leben. Opportunistisch mitmachen, Stillschweigen bewahren oder die Augen schließen. Oder leiden.

In meinen Augen ist das aber schlechter. Schlecht für Außenseiter und Randgruppen. Schlecht, wenn man anderer Meinung ist als die Herrschenden. Schlecht, weil man der Willkür der Herrschenden ausgesetzt ist.

In der Religion ist es übrigens auch so. Dort gibt es auch beides. Eher autoritäre, fast diktatorische Systeme, monarchistische. Oder eher demokratische.

Evangelisch sein, heißt, ein eher demokratisches System bevorzugen. Mitreden wollen. Mitentscheiden wollen. Sich nicht von oben herunter bestimmen lassen. Protestant sein. Mit dem Verständnis, dass es auch Andersdenkende gibt. Die auch ihr Recht haben. Man muss miteinander auskommen, sich gegenseitig achten oder sogar aushalten.

Das katholische oder gar orthodoxe Verständnis von Christentum ist eher autoritär oder monarchisch. Eher von oben herab.

Dieses System braucht keine Menschen, die mitdenken, gar selbst entscheiden, denn es wird entschieden. Von oben. Von den Autoritäten. Oder sogar von ganz oben. Von Gott.

In einem orthodoxen Gottesdienst wird die heilige Liturgie gefeiert. Sie läuft ab. Als Gläubiger oder Gläubige bin ich zwar dabei, gestalte aber nicht mit. Ich kann auch nicht mitentscheiden. Die heilige Liturgie ist da. Sie wird nicht diskutiert. Nicht verändert. Deshalb ist es dort vor allem wichtig, dass man an der Feier teilnimmt. Man kann natürlich Teil davon werden, aber man muss sich nicht wirklich be-teiligen.

Nicht ganz so monarchistisch, aber doch immer noch sehr ausgeprägt autoritär ist der Katholizismus. Deshalb kommt Rom mit demokratischen Regeln ja nicht gut zurecht. Zu einer Mehrheit zu gehören, hilft da in der Regel nicht, wenn man anderer Meinung ist als die Autorität.

Fundamentalistische, häufig auch charismatische Glaubensrichtungen sind in der Regel auch sehr autoriär oder monarchistisch. An der Spitze steht dann eben ein religiöser Führer oder eventuell auch „das Wort“.

Protestanten sind anders. Die Evangelisch-methodistische Kirche auch. Das Wort spielt bei uns schon auch eine große Rolle. Aber eben auch die Vernunft. Und die Erfahrung. Und die Tradition. Und wir wollen Mitbestimmung. Und Leute, die mitmachen. Nicht nur mitmachen. Sondern auch mitdenken, mitentscheiden, mitverantworten. Im Wesentlichen Einheit, im Übrigen Vielfalt. Über allem die Liebe.

Mitmachen erwünscht. Auf allen Ebenen.

Und wir denken, dass wir dazu vom Neuen Testament und von Jesus Christus ermuntert werden.

Wie oft sagt Jesus, dass wir Kinder Gottes sind und eben nicht Angestellte. Oder Mägde und Knechte.

Wir sind Teil der Familie Gottes. In der Geschichte vom verlorenen Sohn wird der verlorene am Ende rehabilitiert und bekommt alle Rechte eines erbberechtigten Sohnes wieder.

Und hier in diesem Text wird das auch deutlich:

Wir sind nicht Fremde. Kleiner Exkurs: und das, wo wir doch tatsächlich Fremde sind: wir gehören nicht zum ursprünglichen Volk Gottes, sind im wahrsten Sinn des Wortes „Reigschmeckte“ im Reich Gottes. Trotzdem sagt Gott: Ihr seid keine Fremden.

Wir sind nicht ohne Rechte. Obwohl es alle Gründe dafür gibt, uns im Reich Gottes erstmal nur einen Probestatus zu gewähren. Auf Bewährung hier. Nein, die Kinder Gottes haben alle Bürgerrechte, die es im Himmel gibt.

Paulus schreibt: wir sind Mitbürger:innen der Heiligen und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft. Lebendige Steine eines Tempel Gottes, der aus uns besteht.

Alles Bilder, die deutlich machen: mitmachen erwünscht. Mitdenken erwünscht. Der Tempel, der Raum Gottes in der Hoffnungskirche, das ist nicht ein Gebäude, das sind wir – das seid Ihr – wir alle zusammen.

Das ist ein lebendiges, ein demokratisches System. Das beweglich ist. Dynamisch. So wie ihr seid, so ist der Tempel Gottes. So wie ihr euch einbringt oder eher nicht, so ist die Gemeinde Gottes, seine Tafelrunde. In Stuttgart. In der Hoffnungskirche. Eure Gaben, Eure Geschichte, Eure Bereitschaft, Eure Zeit, Euer Charakter, Eure Erfahrung, Eure Vernunft, Eure Kreativität, Eure Tradition, Euer Wortverständnis, Euer Geld, Euer Gesicht, Eure Hände, Eure Füße, Eure Musikalität, Eure Bodenständigkeit, Eure Buchhalterfähigkeiten, Eure Unternehmerfähigkeiten, Euer Gebet, Euer Glaube, Eure Hoffnung, was soll ich noch sagen – es gibt keinen anderen Tempel in der Hoffnungskirche als Euch.

Da muss man nicht sofort in Hektik und Betriebsamkeit verfallen, man muss es sich nur ab und zu bewusst machen. Ich bin ein lebendiger, aktiver Teil des Ganzen. Du und du und du und du. Ja, ich auch.

Du bist gewollt, gewünscht. So wie Du bist. Dein Beitrag ist oder soll Teil des Ganzen sein. Das Bild der Gemeinde in der Hoffnungskirche ist dann komplett, wenn Dein Teil dabei ist. Wenn man dich auch sieht, wahrnimmt.

Es ist nicht die Heilige Liturgie, die in der Hoffnungskirche gefeiert wird, wo man halt teilnimmt und zuschaut, wir feiern gemeinsam unseren Gott und die Art und Weise wie wir an ihn glauben, wie wir es verstehen. Wie wir glauben wollen.

Darum geht es, dass jede und jeder als etwas Besonderes wahrgenommen wird. Einmalig, kostbar, weil jedes Leben einmalig und kostbar ist. Dass jeder sich geachtet und in seiner Würde gesehen erlebt. Dass jede und jeder den kostbaren Schatz an Lebensmöglichkeiten einbringen kann in sein Leben. Und in das Ganze.

Anmerken möchte ich:

Es hat niemand behauptet, dass das immer leicht ist, wenn alle mitreden und mitbestimmen dürfen.

Das ist sogar häufig anstrengender als ein autoritäres System und es dauert länger. Wenn viele, möglicherweise sogar alle Bedürfnisse und Interessen gesehen und wenn möglich berücksichtigt werden sollen, dauert das. Und es ist anstrengend. Und es geht auch nicht so schnell als wenn halt einfach der Chef entscheidet und dann machen alle mit. Oder gehen…

Es hat auch niemand behauptet, dass das immer erfolgreich ist, wenn alle mitreden und mitbestimmen. Erfolg ist ein Wert, der im Reich Gottes nicht so verstanden wird wie in unserer kapitalistischen und leistungsorientierten Gesellschaft. Wo man jeden Tag besser sein soll als gestern. Und man niemals sagen darf, dass man in diesem Jahr mit 10% weniger zufrieden ist als letztes Jahr.

Die Werte, um die es geht sind nicht einfach, leicht, schnell und erfolgreich.

Es geht darum, ein Raum Gottes zu sein. Ein Ort wo wir als Kinder Gottes lebendig sind, zusammen sind, das, was wir sind und haben teilen und Platz und Raum haben für andere. Wo wir gerne hinkommen. Wo wir gerne mit anderen zusammen sind. Wo wir andere mit hinnehmen können, weil es ein schöner Ort ist. Ein guter Ort. Ein Stückchen Himmel. Ein offenes Fenster nach oben.

Das gestaltet jede und jeder von uns mit. Auf seine und ihre Weise. Wo jede und jeder sich in offener Weise einbringt mit dem, was er ist und hat.

Ja und was ist, wenn ich ein sturer Hund bin, cholerisch und streitsüchtig? Wenn ich ein Narzist bin und neben mir gar niemanden stehen lassen kann? Wenn ich keinen Bock auf die anderen habe? Unausgeschlafen bin ich nur schlecht erträglich für andere…

Hm, ja, das ist in der Tat nicht so einfach …

Was wir ja ständig sehen und erleben. Dass es mit uns nicht immer einfach ist.

Vielleicht gibt es doch eine wichtige Voraussetzung, die dann eventuell auch eine Richtung vorgibt: Jesus sagt z.B. „ich bin die Tür“ oder „ich bin das Brot“ oder „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt Frucht“.

Oder in unserem Text heißt es, dass Jesus der Grundstein ist. Oder wir Teil dieses Gottesraumes sind, weil wir „zu Gott gehören“. Und der „Heilige Geist“ in dem Gottesraum wohnt.

Wir kriegen es alleine nicht hin. Es ist nicht einfach unsers. Es ist mit Menschen gemacht, aber nicht nur. Christus ist die Basis. Gott verbindet uns. Wie der Mörtel zwischen den Steinen. Und sein Geist erfüllt und durchwabert diesen Raum.

Das darf natürlich nicht fehlen. An ihm orientieren wir uns. Und das ist dann schon eine Orientierung. Eine Richtung. Nicht zwanghaft. Aber da wollen wir hin und so wie er wollen wir auch sein. Seine Werte ahmen wir nach und nehmen sie auf…

Stellt euch das vor:

Wir alle bilden gemeinsam einen Raum.

Christus ist das Fundament. Die Basis.

Gott verbindet uns wie der Mörtel die Steine.

Der Geist Gottes füllt diesen Raum.

Ich kann mir vorstellen, dass ich da gerne hin will und sein möchte. Und ich möchte Euch alle da gerne treffen. Und noch viele andere.

Amen

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