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Predigt: Täglich in ein neues Land 1. Mose 12,1-4a

Gehalten (Datum/Ort): 17.07.22 S-HK (Livestream); 24.7.22 S-FK; Markus Bauder

Wie bereits eingangs erwähnt, geht es heute um Gott und Abraham. Um die Aufforderung Gottes an Abraham, sein Land, seine Verwandtschaft und sein Vaterhaus zu verlassen. Er soll losziehen.

Und Abraham, so wird erzählt, zieht tatsächlich los. Es ist die Geschichte, die Abraham zum Vorbild für alle Glaubenden gemacht hat. Im Neuen Testament wird Abraham für diesen Glauben, dieses Gottvertrauen gelobt und als Vorbild hervorgehoben. Sein Glaube, sein Gottvertrauen, der Segen, den er von Gott mit auf den Weg bekommen hat, begründet im Grunde das, was einen im biblischen Sinn gläubigen Menschen ausmacht.

Aber lesen wir erstmal den Text. Nach der Übersetzung der Basisbibel:

Der Herr sagte zu Abram: »Verlass dein Land, deine Verwandtschaft und das Haus deines Vaters! Geh in das Land, das ich dir zeigen werde!

Ich will dich zum Stammvater eines großen Volkes machen. Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen, sodass du ein Segen sein wirst.

Ich werde die segnen, die dich segnen. Wer dir aber Böses wünscht, den werde ich verfluchen. Alle Völker der Erde sollen durch dich gesegnet werden.«

Da ging Abram los, wie der Herr es ihm befohlen hatte.

Ich hoffe sehr, dass ich da, wo ich jetzt wohne, bleiben kann. Nicht nur bis zu meinem Ruhestand. Auch danach. Als wir dort, in Heumaden eingezogen sind, habe ich gedacht. Wenn Du Glück hast, ziehst Du hier erst wieder mit den Beinen voraus aus.

Auch die äußeren Voraussetzungen sind da oben auf den Fildern ja nicht schlecht. Kein Überschwemmungsgebiet. Keine Lawinen. Weder Schlamm, Schnee oder Eis. Keine Tsunamis. Keine Tornados. Zumindest nicht absehbar. Dass es dort oben so heiß und dürr werden kann wie zurzeit in Italien, ist eher unwahrscheinlich. Wasser wird es auf längere Sicht trotz allem genug geben. Strom auch. Kein Kriegsgebiet. Zumindest hoffe ich, dass das noch lange so sein wird.

Aber wer weiß. Vielleicht hat Abraham das auch gedacht. Und es ging ihm eigentlich gut in Haran. An der türkisch-syrischen Grenze.

Und wie viele von denen, die heute an einem anderen Ort leben als dort wo sie oder ihre Vorfahren geboren sind, ging es genauso.

Wer von denen, die heute auf der Flucht sind, Ende 2021 waren es 90 Millionen Menschen, wollte das so? Durch den Ukrainekrieg sind es jetzt 100 Millionen sind. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen schreibt, dass sie zur Flucht „gezwungen“ waren. Durch Hunger und bewaffnete Konflikte. Das UNHCR schreibt auch, dass Flucht heute oft kein kurzfristiges Ereignis mehr ist. Die Leute kehren immer häufiger nicht mehr dorthin zurück, von wo sie aufgebrochen sind. Flucht wird zunehmend unumkehrbar.

Man geht heute natürlich davon aus, dass auch Abraham nicht nur aufgebrochen ist, weil Gott es ihm gesagt hat. Er war aber wohl nicht auf der Flucht. Er ist vermutlich auch nicht aufgrund einer wirtschaftlichen oder kriegerischen Katastrophe Richtung Südwesten losgezogen.

Vermutlich war er der Stammvater einer Sippe, eines Stammes, der über lange Zeiten immer wieder unterwegs war. Immer wieder auf der Suche nach dem besseren Land, nach dem Ort, an dem er bleiben konnte. Sie kamen, blieben und sind dann doch weitergezogen.

Eine Existenz, in der es noch keine Immobilien gab. Eine mobile Existenz. Eine Existenz, von der wir lernen können. Abraham, der Stammvater der nach biblischer Tradition Glaubenden.

Kleine Nebenbemerkung: Wie heißt eigentlich das weibliche Pendant zu Abraham? Sollen wir sie einfach Sara nennen, wie seine Frau? Ich würde lieber Ruth nehmen. Die Frau um die es im Zoombibelkreis am kommenden Dienstag geht. Die Geschichte zweier unglaublich starker Frauen. Ruth und ihre Schwiegermutter Naomi.

Selbstverständlich geht es hier nicht nur um die Männer oder den Mann Abraham. Im Grunde geht es um eine Gestalt, um eine Existenz, oder wie man modern auch sagen kann, um eine Lebenshaltung, die sich in der Person, in der Gestalt des Abraham zeigt, manifestiert.

Einer Haltung, die zum Aufbruch anregt, ohne dass man schon genau weiß, wohin es geht. Abraham wurde ja nicht gesagt, wohin es geht. Er soll losziehen. Nicht dass der Weg das Ziel wäre, aber dass man sich bewusst macht, dass der Weg oft erst im Losgehen entsteht. Er zeigt sich erst, wenn man sich bewegt. Als das Volk Israel auf der Flucht vor den Ägyptern am roten Meer angekommen war, teilte es sich nach einer Lebende nicht, als Mose mit seinem Stock auf das Wasser geschlagen hat, sondern als das Volk Israel in das Meer hineinging. Die ersten Schritte gegangen ist.

Der Mensch nach der Lebensweise des Abrahams geht im Vertrauen auf Gott los ohne dass er genau wüsste, wo er am Ende des Tages sein wird.

Das ist es übrigens auch, was mich an unserer Zeit fasziniert. Was ich zunehmend spannend finde. Die Zeiten, in denen alles so bleibt wie es ist, sind vorbei. Unwiederbringlich. Ohne Rückkehr. Die Kirchen werden kleiner und anders, es gibt Themen, über die es Streit gibt. Als wir in der Coronazeit in den Lockdown gegangen sind, habe ich oft gedacht, dass ich meine Arbeit neu erfinden muss. So wie bisher ging es nicht mehr. Und wird es nie wieder gehen, weil wir alle inzwischen andere Menschen sind. Wir sind 2 Jahre weiter. Und jetzt ist auch noch in der Ukraine Krieg. Und wir müssen plötzlich überlegen, wie warm unsere Kirchen noch sein können und dass wir Energie sparen müssen. Was wir uns in Zukunft überhaupt noch leisten können und sollen. Und dann spielt auch noch das Klima verrückt. Es ist zu trocken, es sind Überschwemmungen, es hagelt…

Ich weiß, manche sehen schon das Ende der Zeiten gekommen.

Ich nicht. Ich denke, dass wir uns bewusst machen sollten, dass wir Abrahams Kinder sind. Menschen, die auf Gott vertrauen und immer wieder losgehen. In eine neue Zeit.

Wenn wir ein bisschen nachdenken, merken wir, dass wir das ja im Grunde so oder so jeden Tag aufs Neue tun. Losgehen.

Ist jeder Tag gleich? Mitnichten! Jeder Tag ist anders. Manche denken zwar, dass jeder Tag gleich ist, aber das ist nicht so. Du bist jeden Tag einen Tag älter und hast einen Tag mehr Erfahrung. Das Wetter, die Menschen, Deine Stimmung, die Fragen und Antworten – jeder Tag ist eine neue Welt. Ein ganz neues Leben.

In der Schule, in der Arbeit, in der Familie, mit dem Lebenspartner. Kein einziger Tag ist wieder andere, keine einzige Situation ist wie die andere.

Natürlich gibt es auch größere Aufbrüche und Neuanfänge. Elsa, der wir nachher noch den Segen Gottes zusprechen, zieht für ein Jahr in ein anderes Land.

Andere wechseln den Beruf, wagen den Studienbeginn. Oder trauen sich und gründen mit einem Partner, einer Partnerin eine neue Familie. Oder wir werden getrennt. Kinder ziehen von zuhause aus, manchmal geht oder stirbt leider auch der Partner, die Partnerin. Man muss alleine weiterleben…

Ob Herr Habeck oder Frau Baerbock sich ihre Aufgaben so vorgestellt haben?

Wir alle leben, auch wenn wir Immobilien unser eigen nennen, im Grunde sehr mobil. Unsere Existenz, unser Leben, ist der ständigen Veränderung unterworfen. Immer. Bis zum Schluss.

Der Bericht unserer Superintendenten in diesem Jahr trägt die Überschrift „Veränderung wagen“.

Das Bild dazu ist ein kleiner Fisch, der von einem kleineren Glas in ein größeres springt.

Ein Fisch, der aus dem Wasser herausspringt. Um dann, hoffentlich, in einem neuen Lebensraum zu landen.

Sehr riskant. Und doch notwendig.

Im Vertrauen auf Gott.

Ein Kind Abrahams zu sein oder in der Haltung des Abraham zu leben, heißt übrigens nicht, dass man alles weiß und in großer Sicherheit losgeht. Manche denken ja, dass Abraham eine Stimme gehört hat von der er hundertprozentig wusste, dass es Gott selbst ist. Und alle anderen auch. So war es natürlich nicht. Er hat Gott auch nicht anders gehört als wir.

D.h. so klar wird ihm das nicht von Anfang an gewesen sein. Er hat gebetet, er hat mit seiner Frau gesprochen, mit seinen Beratern, er hat seine Familie und seine Situation angeschaut, er hat vielleicht sogar das Los geworfen. Und dann ging es los. Wieder los. Und dann waren sie sich manchmal sicher und manchmal nicht. Und dann haben sie gesagt, ja der Abraham hat das richtig gemacht. Und andere haben gesagt, der spinnt ja. Wie kann man seine Sippe nur einem solchen Risiko aussetzen. Und vielleicht hat Abraham sich das oft auch gefragt…

Aber am Ende und beim Zurückschauen, konnte er sagen: ich habe den Eindruck, ich bin mir sicher, Gott hat das so von uns gewollt.

Schaut mal zurück. Können wir nicht sagen, dass Gott bei uns war? Jeden einzelnen Tag. Gewiss war da manch Trauriges und manche Fehler, aber Gott war bei uns jeden einzelnen Tag, den wir gegangen sind.

In unsere Zukunft. Ja, eigentlich kann man sagen, dass das, was Abraham gegolten hat, immer und ständig gilt. Dass Gott sagt:

Nimm das deine und geh in das neue unbekannte Land, das vor dir liegt. Ich gehe mit dir und will es dir zeigen.

Nimm das Neue, das vor dir liegt, aus seiner Hand. Vertraue darauf, dass der neue Tag, der neue Lebensabschnitt, das ganz neue Leben ein Weg ist, den Gott uns gehen heißt.

Manche wünschen sich ja das Alte zurück. Und dass es wieder so wird wie es war. Das ist nicht die Haltung der Kinder Abrahams. Die Kinder Abrahams gehen davon aus, dass die Heimat, oder der Ort, an dem man unbedingt sein will, nicht hinter uns liegt, sondern vor uns. Der Ort, wo wir zur Ruhe kommen, wo Friede ist, wo wir letztlich angekommen sein werden, liegt vor uns…

Wie sehr hängen wir oft an der Vergangenheit. Am Elternhaus. An unserer Kirche. An Kirchenbänken, Orgeln und Gottesdienstabläufen.

Abraham hat das Land, das er durchstreift hat, nie besessen. So ist das auch bei uns. Am Ende unserer Tage werden wir feststellen: es gehört uns nicht. Wir haben alles nur geliehen. Eine Zeitlang genutzt. Eine Zeitlang Teilhaber sein. Dann nutzen es andere. Vielleicht unsere Kinder. Aber nichts auf dieser Erde ist für die Ewigkeit.

Es ist so. Der Glaubende zieht in das Land, das vor ihm liegt. Das Land der Verheißung. Wir gehen letztlich Gott entgegen. An seiner Hand zwar. Aber ihm entgegen. Schritt für Schritt. Im Vertrauen auf ihn.

Und Gott wird mit uns gehen.

Vielleicht noch ein Wort über den Segen, von dem hier die Rede ist.

Was ist das, was Abraham da für den Weg in das Land der Verheißung mitgegeben wurde?

Ich würde es so formulieren: diese Lebenshaltung von der hier die Rede ist, ist Segen für die Welt. Ist gut für die Welt. Wenn Abraham, wenn wir es schaffen, in einer solch offenen Haltung zu leben, die auf Gott vertraut und nichts wirklich als ihr Eigentum betrachtet, sondern höchstens als geliehen – das wird gut sein für die Welt, für die Menschen, für die Völker: im Vertrauen auf Gott leben. Immer wieder aufbrechen. Ihr werdet darin Glück finden. Und Hoffnung. Es wird euch Kraft zum Leben geben. Ihr werdet schöne Dinge entdecken. Und gutes Leben miteinander. Und immer wieder Neues. Und Gott wird an Eurer Seite sein. Immer. Bis in alle Ewigkeit.

Reicht uns das? Ja, ich denke, das reicht. Amen