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Predigt: Über den Jordan gehen

Pastor Markus Bauder gehalten am 12.01.2025 in der Friedenskirche und bei radio m und am 19.01.2025 in der Hoffnungskirche
Text/Thema: Josua 3,5-11.17

Jos 3, 5-11.17 (BasisBibel)

Dann sagte Josua zum Volk: »Sorgt dafür, dass ihr heilig seid! Denn morgen wird der Herr unter euch Wunder tun.« Und zu den Priestern sagte er: »Hebt die Bundeslade hoch und zieht vor dem Volk her!« Da hoben sie die Bundeslade hoch und gingen voraus. Der Herr aber sprach zu Josua: »Heute will ich beginnen, dich vor den Augen aller Israeliten groß zu machen. Dann werden sie erkennen, dass ich mit dir bin, wie ich es mit Mose gewesen bin. Du selbst sollst nun den Befehl geben und zu den Priestern, die die Bundeslade tragen, sagen: Wenn ihr am Wasser des Jordan angekommen seid, dann bleibt dort stehen!« Schließlich wandte sich Josua an die Israeliten: »Kommt hierher und hört, was der Herr, euer Gott, zu sagen hat!« Dann sagte Josua: »Daran sollt ihr erkennen, dass ihr einen lebendigen Gott in eurer Mitte habt: Er wird vor euren Augen die Kanaaniter vertreiben, die Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und die Jebusiter. Seht auf die Bundeslade! Der Herrscher über die ganze Welt wird vor euren Augen durch den Jordan ziehen.

Die Priester, die die Bundeslade des Herrn trugen, blieben im trockenen Flussbett des Jordan stehen. So kamen alle Israeliten trockenen Fußes hinüber, bis der Durchzug durch den Jordan abgeschlossen war.

Vielleicht fragt Ihr Euch, wie ich denn auf die Idee komme, einen solchen Text für eine Predigt auszuwählen. Nun, ich bin heute bei radio-m auch der Sprecher des heutigen kleinen Gottesdienstes. Und bei radio-m nimmt man dafür immer den offiziellen Predigttext aus der Ordnung der evangelischen Kirche. Und das ist dieser Text …

Keine Ahnung, an welchem Stichwort Ihr hängengeblieben seid, ich bin am letzten Satz hängengeblieben: „So kamen alle Israeliten trockenen Fußes hinüber, bis der Durchzug durch den Jordan abgeschlossen war“.

Die Israeliten sind also alle über den Jordan gegangen. Wie bitte? Das erinnert sehr nach einer Redewendung. „Über den Jordan gehen“, sagt man auch bei uns. Aber man verbindet damit doch eher etwas ganz anderes als hier gemeint ist. In der Regel etwas Schlimmes. Wenn jemand „über den Jordan gegangen ist“, dann meint man, dass er gestorben ist. Wenn eine Sache „über den Jordan geht“, dann ist sie kaputt oder zu Ende. Aus, fertig.

Hier ist doch eher gemeint, dass die Israeliten im Gelobten Land angekommen sind. Am Ziel eines sehr langen Weges. Das ist doch etwas Gutes. Ein Neuanfang …

Ich habe mich dann auf die Suche gemacht. Wie ist das mit dem „über den Jordan gehen“ gemeint?

Nun, klar ist, für das Volk Israel ist das so etwas wie ein Doppelpunkt. Zum einen sind sie nun aus der Wüste raus. Die Wüstenwanderung kommt nach 40 Jahren zum Abschluss und die Israeliten kommen im Gelobten Land an. Dem Land der Verheißung. Dem Land, in dem Milch und Honig fließen. Dem Ziel der langen Reise. Durch alle Widrigkeiten hindurch, alle Kämpfe, alle Wüstenerfahrungen. Endlich am Ziel.

Klar ist aber auch: dort – über dem Jordan – wartet niemand auf sie. Die Menschen, die dort leben, stehen nicht Spalier und begrüßen die Israeliten so, als ob sie schon seit Jahrzehnten auf sie gewartet haben. Da ist kein herzliches Willkommen.

Das Gelobte Land muss erst noch in Besitz genommen werden. Die Gelehrten sind sich einig, dass dies über viele Jahre und auch deutlich weniger kriegerisch vonstatten ging, als es in der Bibel erzählt wird.

Dort werden ja nur sehr punktuelle Ereignisse erzählt. Die vermutlich schon auch auf tatsächlichen Ereignissen beruhen.

Bei denen der Erzählschwerpunkt aber natürlich ein anderer ist als der einer realen Chronik. Es geht viel mehr um das ständige Ringen Gottes mit seinem Volk.

Das „über den Jordan gehen“ war also ein Abschluss, aber auch der Beginn eines weiteren, langen Weges. Ein neues Suchen und Finden. Wege, Umwege, Siege, Niederlagen, Ankommen, wieder neu Aufbrechen, Heimat finden, eine neue Heimat gestalten im neuen Land. Mit neuen Mitmenschen, erst als Gäste und Fremdlinge, dann nach vielen Jahren als Einheimische – das ganz normale Leben eben.

Der Jordan markiert eine Grenze zwischen dem Alten und dem Neuen.

Die christliche Kirche, so habe ich gelesen, hat dies alles symbolisch gedeutet und das Gelobte Land mit dem Paradies, mit dem Himmel gleichgesetzt. Und dann ist es relativ simpel: Wann kommen die Gläubigen in den Himmel? Richtig. Wenn sie sterben. Über den Jordan gehen markiert also den Übergang vom mühsamen Leben in den ersehnten Himmel oder das verheißene Paradies.

Ich ahne also, dass man kann das „über den Jordan gehen“ schon so verstehen, dass da etwas Schlimmes passiert. Dass das Leben zu Ende geht.

Aber es steckt doch etwas mehr dahinter.

Dazu kommt – habe ich auch gelesen – dass der Täufer Johannes im Neuen Testament im Jordan die Leute getauft hat. Also auch diesem Fluss aus unserem Text. Unter anderem hat er auch Jesus Christus getauft.

Damit markiert die Taufe im Jordan auch so etwas wie einen Neuanfang. Jemand hat die Seite gewechselt. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Neutestamentlich kann „über den Jordan gehen“ auch meinen, ein neues Leben zu beginnen.

Ähnlich wie im Alten Testament soll man erkennen: „über den Jordan gehen“ markiert einen Neuanfang. Und zwar einen Neuanfang im Land der Verheißung. Also dort, wo man letztlich hinwollte.

So verstanden, markiert „über den Jordan gehen“ ein Ende. Aber auch einen Neuanfang. Das Alte wird nicht ersatzlos gestrichen. Es wird, durchaus in einem guten Sinn, zurückgelassen.

Und man begibt sich in ein Neues. Ein neues Leben. Einen neuen Beruf. Eine neue Wohnung. Einen neuen Lebensabschnitt.

Oder auf Glaubens- und Kirchenthemen bezogen – ein neues Kirchenverständnis, eine neue Art Kirche zu sein, oder Gemeinde, neue Formen der Begegnung, neue Wege, seinen Glauben zu leben und ihm Ausdruck zu verleihen.

Ich gehe über den Jordan und lasse etwas zurück, um mit etwas Neuem zu beginnen.

Die Israeliten damals sollten dabei den Blick fest auf die Bundeslade richten und sich bewusst machen, dass Gott diesen Weg in ein neues Land mitgeht.

Vom Neuen Testament her gedacht sollen wir den Blick auf Gott, auf Jesus Christus, richten und uns bewusst machen, dass ER diesen Weg in ein neues Land, in ein neues Leben mitgeht.

Wir stehen am Beginn eines neuen Jahres.

Wir sind gespannt, was alles kommen oder passieren wird in diesem neuen Jahr. Ihr wisst vielleicht schon das eine oder andere und steht vielleicht noch an ganz anderen Neuanfängen in Eurem Leben. Oder habt sie gerade hinter euch.

Wir müssen oder mussten das eine oder andere zurücklassen. Hinter uns lassen.

Vielleicht mussten wir auch über so eine deutliche Wegmarkierung wie den Jordan gehen, um in einem neuen Jahr, einem neuen Leben anzukommen. Oder sie stehen noch davor.

Vielleicht ein Umzug? Vielleicht eine Operation? Vielleicht ein beruflicher Wechsel. In der Gemeinde, in der Kirche, in unserer Struktur werden wir „über den Jordan gehen“. Eine größere Bezirkseinheit. Inhaltlich gehen wir mit „bring&share – Kirche in Begegnung“ „über den Jordan“ und orientieren uns neu. Suchen neue Wege. Müssen altes verlassen und eine neue Heimat suchen. Vielleicht nicht so brachial und aufwändig, aber es wird sich die Perspektive ändern. Kirche werden wir in den nächsten Jahren ein wenig anders verstehen und gestalten als früher.

Die Vorstellung „über den Jordan zu müssen“ soll uns dabei keinesfalls erschrecken, sondern uns Mut machen. Ja, wir lassen Dinge zurück und müssen weitergehen. Aber es geht nicht ins Nichts, sondern über den Jordan dem „Land der Verheißung“ entgegen – was immer das für uns bedeutet.

Bei mir weckt diese Formulierung verschiedene Hoffnungen und Gedanken. Z.B. dass das Land über dem Jordan bewohnt ist. Da sind schon welche. Und Gott geht nicht nur mit, sondern ist auch schon da. Wir werden nicht im luftleeren Raum unterwegs sein, sondern mit den Menschen, die da sind. Das Land der Verheißung ist keine einsame Insel. Auch wenn man sich dort den Platz erst suchen, vielleicht manchmal auch erkämpfen muss.

Im Zurückblicken war für uns auch der Wechsel nach Stuttgart ein „über den Jordan gehen“. Wir sind dort angekommen. Und es hat sich, sogar wider manchen Befürchtungen durchaus als Land der Verheißung herausgestellt. Da sind wir gerne. Und suchen da und dort noch nach dem Platz, aber haben vieles auch schon gefunden.

So wird das auch im Changeprozess sein, im Suchen nach neuen Formen von Kirche und Gemeindegestaltung.

Wir vertrauen Gott. Wir glauben, dass er mitgeht und schon dort ist wo wir erst noch hinkommen.

So will ich allen, die auf irgendeine Weise in diesem Jahr einen Jordan überqueren Mut machen. Das haben die Israeliten geschafft. Das schaffen wir auch.

Es ist zwar durchaus mit Mut verbunden, mit Aufregung, da und dort auch mit Sorgen, oder sogar Angst, aber es lohnt sich.

Und letztlich geht es ja auch nicht zurück, sondern nach vorne. In das neue Jahr hinein. In das neue Leben eines jeden Tages hinein. Das Vertrauen dazu, die Hoffnung, die Sehnsucht dazu wünsche ich uns allen.

Einige Augenblick der Stille – was hat der Jordan mit mir zu tun?

Stille

Gebet

Gott, du hast deinem Volk Israel damals den Weg über den Jordan zugemutet. Auch wir stehen manchmal an solchen großen Übergängen. Von einem Jahr in ein neues. Oder von einem Lebensabschnitt in einen anderen. Wir wissen nicht recht, wie es im neuen Leben werden wird. Aber wir wissen, dass Du es das Land der Verheißung nennst. Und dass du bei uns bist auf diesen Wegen. Hinein in ein Neues. Damit wir uns dort zurechtfinden und immer wieder auch neue Heimat finden. Sei Du besonders bei allen, die sich damit schwertun. Mache die Angst kleiner, schenke ihnen Mut, Gelassenheit und anderes, was wir auf unserem Lebensweg brauchen.

Amen